| Hallo,
da jeder hier wohl auch PKW fährt, und evtl. Vergleiche zu PKW gezogen werden, versuche ich mal die Unterschiede zu erklären.
Damit kann sich dann jeder selbst überlegen, was für seinen Fall das Beste ist.
Im PKW-Bereich haben die Winterreifen in den letzten Jahren einen Quantensprungmässigen Fortschritt gemacht, gleichzeitig die Sommerreifen einen Rückschritt in ihren Wintereigenschaften.
Der Fortschritt kam durch immer bessere Gummimischungen, der Einsatz von Silica (Kieselsäure) als ein Teil des Füllstoffes macht das Gummi bei tiefen Temperaturen geschmeidig. Die Selbstreinigungskraft des Profils ist enorm, die kleinen Einschnitte in den Profilblöcken sorgen dafür dass bei jeder Reifenumdrehung der Schnee aus den Rillen zwischen dem Profil herausgedrückt wird. Dies ist sehr wichtig, wenn der Schnee drin stecken bliebe hätte man quasi profillose Slicks, mit denen man im Schnee selbst in der Ebene überhaupt nicht mehr vom Fleck käme. Diese modernen PKW-Winterreifen sind eher als reine Schneespezialisten anzusehen. Der Negativanteil des Profils ist immer geringer geworden, und bewegt sich auf ähnlich niedrigem Niveau wie bei PKW-Sommerreifen. Ein gewisser Negativprofilanteil wird gebraucht zur Wasserverdrängung (Aquaplaning). Den guten Schneegrip moderner PKW-Sommerreifen besorgen nicht etwa die teils interessant geformte Profilstruktur, sondern nur die feinen Einschnitte (Lamellen) in den Profilblöcken und die Gummimischung sowie der Anteil Positiv-/Negativprofil. Bei Berücksichtigung dieser drei Parameter ist konstruktiv fast jedes Profil möglich, ein schnittiges V-Profil wie beim Sommerreifen ebenso wie ein Profilmuster das nur aus eckigen Blöcken besteht. Die Profile werden mehr oder weniger von Designern bestimmt.
Bei Winterreifen für Leicht-LKW sind aus verschiedenen Gründen (Tragfähigkeit, Scheuerfestigkeit, Erwärmung etc.) derart weiche Gummimischungen nicht möglich. Hier hilft für brauchbare Schneeeignung nur das alte Rezept, möglichst grobes Profil mit hohem Negativprofilanteil.
Der Unterschied zwischen Sommer- und Winterreifen im Leicht-LKW Bereich ist daher nie so hoch wie im PKW-Bereich.
Zur Eingangs angesprochenen Sache mit der immer schlechteren Wintereignung von modernen PKW-Sommerreifen: Dies ist nicht etwa böse Absicht der Hersteller damit man Winterreifen kauft, sondern den immer höheren Geschwindigkeiten und niedrigeren Querschnitten geschuldet.
Früher galt alles mit Reifenquerschnitt ab /60 als Breitreifen. Inzwischen ist die Reifengröße 205/55-16 eine der gängigsten überhaupt geworden, und wird mindestens als H-Reifen (210) angeboten.
So ein Reifen kann keine guten Wintereigenschaften mehr besitzen, ansonsten wäre sein Verschleiß nicht hinnehmbar und er wäre bei hohen Temperaturen weich wie ein Radiergummi und würde sich auch so fahren inkl. sehr langem Bremsweg bei Trockenheit/hohen Temperaturen im Sommer.
Daher ist für moderne PKW ein guter Winterreifen eigentlich unerlässlich. Die angebotenen Ganzjahresreifen sind vom Schneegrip her inzwischen aber relativ gut geworden dank High-Tech, Nachteile sind nur die geringere Laufleistung, Geräuschentwicklung und Abrollumfang. Denn auch das wird ja in unserer komfortorientierten Gesellschaft erwartet.
Für Leicht-LKW ist der Unterschied zwischen Sommer- und Winter wie gesagt nicht so hoch, und viele Reifenhersteller äußern sich auch gar nicht so eindeutig ob es sich nun um einen Sommer-, Winter-, oder Ganzjahresreifen handelt. Der Begriff M+S ist nicht geschützt, den kann leider jeder Reifenhersteller verwenden wie er will.
Da es für Leicht-LKW Reifen kaum Reifentests gibt, ist es oft auch ein wenig Glückssache ob die Reifen sich so fahren wie man es gern hätte.
Ein billiger als Winterreifen angebotener Leicht-LKW Reifen kann im Schnee schlechter sein als ein guter Sommerreifen, aber billige Sommerreifen unbekannter Marken mit M+S Prägung haben oft keinerlei Wintereignung. Inzwischen werden von unseriösen Anbietern sogar reine Sommerreifen ohne jede Wintereignung mit M+S bedruckt, da "ganz schlaue" Sparfüchse somit Reifen mit niedrigerem Geschwindigkeitsindex fahren dürfen, als ihr Auto eigentlich benötigt.
Beispiel: Nankang und Wanli.
Kürzlich hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, einen alten Geländewagen (riesiger LandCruiser HZJ 78) mit völlig schneeuntauglicher Bereifung zu fahren. Die Reifenmarke erinnere ich nicht mehr, sie hatten aber M+S Prägung und mittelgrobes Profil. Der Schnee blieb komplett im Profil haften, das Auto war trotz Allrad und Sperren weniger wintertauglich als mein frontangetriebener Audi 100 mit guten Winterreifen. Der LandCruiser wühlte mehr auf der selben Auffahrt als der Audi, das Bremsverhalten auf der verschneiten Wohnstraße war kriminell. Er rutschte sofort seitwärts Richtung Gartenzaun schon bei Schrittgeschwindigkeit. Fast wie auf Eis.
Wer für seinen LT oder anderen Leicht-LKW Reifen sucht mit denen er sich auf unbefestigten Straßen weniger schnell festfährt, sollte eher nach der Profilstruktur schauen. Querrillen im Profil helfen ebenso wie ein höherer Negativanteil.
Wer viel im Winter unterwegs ist und/oder sich den Luxus erlaubt im Winter umzurüsten, sollte nach halbwegs modernen Winterreifen suchen. Diese sind an Namen wie "Winter Grip", "Snow..." etc. erkennbar. Ein Reifen mit normalem Namen oder einer Zusatzbezeichung die nur aus Nummern besteht ist im Zweifel leider nur ein ganz normaler Sommerreifen mit zusätzlicher M+S Prägung!
Gruß
Christian Schulze
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