Das Osmanische Reich im XVI Jh.
Das Osmanische Reich erreichte den Gipfel seines
Ruhmes unter Soliman dem Wunderbaren (1520 - 1655) und Selim II. (1566 -
1574).
Die Ausdehnung des östlichen Reiches (Türkei,
Kaukasus, Syrien, Palästina, Irak, Arabien) zum Westen (Europa am Balkan und an der
Donau) und zum Mittelmehr hin (Ägypten, Tripolitanien, Maghreb) bedeutete eine Bedrohung
der Macht der spanischen Herrscher Karl V. und Philipp II.: Besetzung von Djerba (1500,
1542), Belagerung von Wien (1529), Eroberung von Algier (1516 und 1529), Tunis (1534,
1569, 1574), Belagerung von Malta (1565), Allianz mit Franz I., Vertreibung der Moriscos
in den Maghreb.
Das
Osmanische Reich war nicht nur eine dominante Militärmacht mit einer
Belagerungsatillerie, einer mächtigen Flotte und siegreichen Armee (Janitscharen und
Spahis), sondern auch eine Wirtschaftsmacht auf dem Kreuzweg dreier Kontinente, dessen
Hauptstadt Istanbul als die reichste und bevölkerungsdichteste Stadt Europas und
des Orients (1 Million Einwohner) galt.
Der ottomanische Sultan, Glaubensführer
und mächtige Herrscher (>>der große Herr<<) besaß eine gefürchtete und
geachtete Regierung (>>die erhabene Pforte<<).
Der Sieg Don Juans von Österreich in
der Meeresschlacht von Lepante im Jahre 1571 stellte keine wirkliche Bedrohung der
ottomanischen Macht dar, die gleichen Jahr Zypern und 3 Jahre später Ifrikia annektierte.
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Die Spanisch - Türkischen Auseinandersetzungen
im XVI Jh.
Im XVI. Jh. geriet das Reich des
hafsidischen Sultans in Verfall: Besetzung durch fremde Mächte, Auflösung des Staates,
Querelen unter den Dynastien; Djerba wurde in den Jahren 1500 und 1524 durch die Brüder
BARBEROUSSA (Arouj und Khereddine) und dazwischen im Jahre 1520 durch die Spanier (Hugo
von Moncada) eingenommen; die Städte Biserta, La Goulette, Tunis und Kairouan wurden 1534
von KHEREDDINE erobert.
Diese Umstände favorisierten die
Bildung von Städtestaaten und dem Fürstentum Kairouan und trieben den Wettstreit
zwischen den Habsburgern und Ottomanen um die Kontrolle des westlichen Mittelmeers voran.
Nach den anfänglichen Erfolgen der Spanier (Eroberung von Tunis durch Karl V. im Jahre
1535 und Wiedereinsetzung des im Jahre 1543 durch seinen Sohn Ahmed Soltan entthronten
Hafsiden Moulay Hassan) gelang es den Türken im Jahre 1557, das Fürstentum der Shabiyya
in Kaiouan zu zerstören und Djerba beizubehalten (Dargh Routh, genannt Kapitän Dragut)
und im Jahre 1569 (Eulj Ali) die Spanier aus Tunis zu vertreiben.
Nach der Wiedereroberung von Tunis im
Jahre 1573 durch Don Juan von Österreich, Bruder des Kaisers Philipp II., gelang es den
ottomanischen Streitkräften unter Anführung von Sinan Pacha, La Goulette und
Tunis im Jahre 1574 endgültig einzunehmen. Damit wurde Ifrikia zur ottomanischen Provinz
mit dem Titel Sandjak, unter der Herrschaft eines von Istanbul ernannten Pachas.
Die Ottomanische Provinz von Tunis (1574 - 1591
Die Sandjak (1574 - 1591)
Tunesien, von den Türken erobert,
wurde an die >>erhabene Pforte<< angegliedert und zur Reichsprovinz (Sandjak)
erhoben. Die Miliz (Odjak), Garant der osmanischen Ordnung, unter der Führung eines Agha
(Regimentskommandeur) bestand aus drei-bis viertausend Janitscharen (türkische Soldaten)
unter dem Befehl von 40 Deys (subalterne Offiziere), die ihrerseits hohen Offizieren,
Odabachis (Leutnants) und Bulukbachis (Kapitäne) unterstanden.

Grabstätte von Aziza Othmana hinter dem
Kenotaph von Sidi Ben Arous
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Der Pacha, ein für 3
Jahre vom Sultan ernannter Gouverneur, übte mit Unterstützung des Diwan, oberster Rat,
der sich aus den höchsten Offizieren unter Vorsitz des Agha zusammensetzte, die Macht
über die Provinz aus.
Die Vormachtstellung der Deys (1591 - 1640)
Im Jahre 1591 schalteten die Deys bei
einem Aufstand ihre Vorgesetzten (Odabachis und Bulukbachis) aus und wählten einen der
ihren zum Befehlshaber über die Miliz, zusammen mit dem Agha.
Diese
>>Militärdemokratie<< entwickelte sich unter Ibrahim Rodhesli und Moussa Dey
rasch zu einer Anarchie.
Othman Dey (1598 - 1610)
Im Jahre 1598 riß Othman Dey die
gesamte Macht an sich, reorganisierte die Miliz, unterwarf den Befehlshaber über die
Flotte (Kaptan der Taifa der Rayis) und stützte sich auf den Bey, der mit der Eintreibung
der Steuern und der Verwaltung der Stämme beauftragt war.
Gleichzeitig behauptete er sich
gegenüber dem Diwan, welcher zu einer reinen Registrierungskammer geworden war, und
beschränkte die Rolle des Pachas auf Repräsentationsfuktionen. Unter Othman Dey fand
Tunesien seine Stabilität zurück, die durch die Zuwanderung ab 1609 von mehreren
Zehntausend durch Philipp III. aus Spanien vertriebenen Andalusiern noch verstärkt wurde.
Youssef Dey (1610 - 1637)
Der Nachfolger von Othman Dey war
bemüht, die Landesgrenzen zu festigen (Eroberung von Djerba, aber Niederlage in Essarata
im Jahre 1628 gegen den Odjak von Algier) und sich die Stämme untertänig zu machen.

Yussef Dey-Brunnen am Slaheddine Bouchoucha-Platz
auf dem El Koudia Hügel in Bizerte
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Unter seiner
Herrschaft erlebte Tunesien eine Glanzzeit: ruhmreiche Beys (Mourad und sein Sohn
Hammouda) sicherten die Steuereinnahmen, ergiebige Freibeuterei im Mittelmeer, Aufblühen
der Landwirtschaft und des Handwerks durch die Zuwanderung von 50.000 bis 80.000
Andalusier.
Osta Mourad (1637 - 1640)
Osta Mourad, Janitscharengeneral,
Rayis von Bizerta und Später Kaptan der Taifa, war ein genuesischer Renegat (Osta Moratto
Genovese).
Er stand Youssef Dey sehr nahe und
gründete, als dessen Nachfolger, den Hafen von Porto Farina.
Die Herrschaft der Beys (1640 - 1702)
Während Dey, mit der Unterstützung
der Miliz, über Tunis, die Küstenstädte und Kairouan herrschte, lag die Verwaltung des
Landesinneren in den Händen des Beys.
Dieser verfügte über eine autonome
Streitkraft, mit deren Hilfe er nicht nur die Stammesunruhen unterdrückte und die Grenzen
verteidigte, sondern auch die Steuern eintrieb; Sommer- und Winter- Mahalla
(Steuertruppen).
Im gleichem Maße wie der Pacha seine
Vorrechte an den Dey hatte abgeben müssen, mußte letzterer sich der aufkommenden
Autorität des Beys fügen.

Die Kasbah von Le Kef
Erbaut im Jahre 1679 durch Mohamed Bey
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Die Funktion des Deys,
der weiterhin durch den Diwan gewählt wurde, blieb jedoch erhalten, ebenso wie die
Pacha-Würde weiterhin von der >>erhabenen Pforte<< verliehen wurde.
Im XVII. Jh. bezeichneten die
Europäer die Regierung des ottomanischen Tunesiens als die >>Mächte von
Tunis<<.
Mourad Bey (1612 - 1631)
Mourad Bey, Nachfolger von Ramadhane
Bey, war ein genuesischer Renegat korsischer Abstammung (Osta Moratto Corso), der aufgrund
seiner Siege über die kriegerischen Stämme von der >>Pforte<<den Pacha-Titel
verliehen bekam und seinen Sohn Hammouda zum Bey ernannte.
Hamouda Pacha Bey (1631 - 1659)
Der mächtige und wohlhabende
Hammouda Bey verbündete sich mit der Familie des Dey und führte ruhmreiche
Militätkampagnen im Landesinneren durch. In den wichtigsten Städten richtete er
Spahis-Garnisonen ein, beseitigte seine Gegner (Mustapha Ben Cardenas, Cheikh der
Andalusier und den Caid Abdallah Abu Khiran) und überwachte alsbald die Wahl der Deys;
Ahmed Khodja (1640 - 1647); Hadj Mohamed Laz (1647 - 1653) und Hadj Mustapha Laz (1653 -
1665).
In seinem Palast im Bardo umgab
Hammouda Bey sich mit einem prächtigen Hof und wurde zum wahren Herrscher über das Land,
als ihm >>die Pforte<< im Jahre 1659 den Pacha-Titel verlieh.
Als großer Bauherr ließ
Hammouda-Bey Moscheen, Krankenhäuser, Souks sowie den Dar El Bey-Palast errichten.
Mourad II (1659 - 1675)
Hammouda Pacha Bey trat im Jahre 1659
freiwillig zurück und teilte sein politisches Erbe unter seinen 3 Söhnen, von
denen der älteste, Mourad, lediglich den Titel des >>Bey von Mahalla<<
erhielt.
Der Ausbruch einer politischen Krise
zwischen Mourad II, und dem im Amt befindlichen Dey Chaabane Khodja (1669 - 1672) war
unvermeidbar.
Letzterer wurde durch Hadj Mohamed
Mentechali, einem Mourad II. ergebenen Dey, abgesetzt. Die entrüstete Miliz stürzte den
von Mourad II. eigenmächtig ernannten Dey und erklärte ihren eigenen Kandidaten, Hadj
Ali Laz, im Jahre 1673 zum Dey.
Dieser wurde jedoch von Truppen des
Mourad II. geschlagen und durch Mami Jemal Dey (1673 - 1677) ersetzt.
Bei seinem Tod hinterließ Mourad II.
3 Söhne, die aufgrund einer nicht vorhandenen Sukzessionsordnung einen in einem
20-jährigen Bürgerkrieg endenden Konflikt hervorriefen. Mohamed Mey regierte während
drei verschiedener Amtsperioden (1675 - 1677 ; 1686 - 1694; 1695 - 1696) und sein Bruder
Ali Bey von 1666 - 1686, wonach Mohamed Bey alleine mit dem Aufstand des mit der
algerischen Armee verbündeten Ben Choukir (1699 - 1702) fertig werden mußte.

Bizerte: Blick vom Ufer auf die Kasbah
(byzantinischer Ursprung - von den Türken umgebaut)
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Auf ihn folgte der
jüngste Bruder von Mohamed Bey, Ramadhane Bey (1696 - 1699), der von Mourad III., Sohn
von Ali Bey (1699 - 1702), abgesetzt wurde.
Letzterer machte sich jedoch durch
seine Ausschweifungen bald unbeliebt und fiel im Krieg gegen den Dey von Algier einem im
Jahre 1702 durch Ibrahim Cherif, Agha des Spahis, angestifteten Komplott zum Opfer.
Ibrahim Cherif ließ ihn sowie
sämtliche Mitglieder der Muraditen-Familie hinrichten.
Dies bedeutete das Ende der
Muraditen-Dynastie.

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